Armut und Verschuldung
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Armut in Großstädten

 

 

 

Armut, wirtschaftliche Lage, in der es Menschen an ausreichenden Mitteln fehlt, um ein bestimmtes minimales Niveau der Gesundheitsvorsorge, Ernährung, Kleidung, Bildung und des Wohnens aufrechtzuerhalten, das allgemein als notwendig erachtet wird, um einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten. Was dabei als angemessen gilt, hängt allerdings stark vom durchschnittlichen Lebensstandard der jeweiligen Gesellschaft ab.

Straßenkinder in Mosambik
Straßenkinder in Mosambik

Der Begriff relative Armut findet Verwendung zur Beschreibung der materiellen Lage von Personen, deren Einkommen beträchtlich unter dem jeweiligen gesellschaftlichen Durchschnitt liegt. Subjektive Armut liegt dann vor, wenn die Betroffenen selbst ihre Lage als Armut empfinden. Als absolute Armut bezeichnet man den Mangel an der für den Erhalt der Gesundheit notwendigen Nahrung.

2. BEDEUTUNGSWANDEL VON ARMUT IN DER EUROPÄISCHEN GESCHICHTE  Historisch wurde Armut in der europäischen Geistesgeschichte unterschiedlich bewertet. Im Alten Testament wurde Armut als selbstverschuldet gerechtfertigt. Das Neue Testament thematisierte den Gegensatz von Arm und Reich als moralische Problematik. Im Christentum gilt Armut als geistlicher Wert. Freiwillige Armut, wie etwa von den Bettelorden propagiert und gelebt, soll auf die Bedeutungslosigkeit von materiellem Besitz für das Seelenheil der Menschen verweisen. Armut wurde als weitgehend unveränderliches, da gottgegebenes Schicksal angesehen, das in engen Zusammenhang mit der Erbschuld der Menschen gebracht wurde. Diese vormoderne Einstellung des Christentums lenkte von den politischen und ökonomischen Ursachen der Armut ab und half so, feudale Herrschaftsverhältnisse zu stabilisieren. Mit dem Aufkommen des weltlich diesseitig ausgerichteten Humanismus der Neuzeit und verschiedener reformatorischer, sozialreformerischer Bewegungen rückten die wirtschaftlichen und politischen Ursachen der Armut ins Blickfeld.


Bedingt durch die Industrialisierung und damit Proletarisierung weiter Bevölkerungsteile Europas kam es im 18. und 19. Jahrhundert zu Massenarmut in Europa. Armut wurde erstmals Gegenstand wirtschaftspolitischer Untersuchungen. Für den Ökonomen Malthus (1766-1834) tendierte die Bevölkerung dazu, schneller zu wachsen als die Lebensmittelproduktion. Ihm zufolge wären Hilfen für die Armen sinnlos gewesen, da sie nur zu einer weiteren Vermehrung der armen Bevölkerung geführt hätten. Karl Marx setzte den Lebensstandard der Arbeiter ins Verhältnis zu dem Reichtum, den sie während des Arbeitsprozesses erzeugen. Diesen (wachsenden) Reichtum eigneten sich jedoch die Arbeitgeber an. Die Arbeiter seien insofern arm, als sie durch das Eigentum von den Produktionsmitteln und den hergestellten Produkten getrennt seien. Nicht eine bestimmte Lohnhöhe, sondern das Lohnarbeitsverhältnis als solches implizierte für Marx Armut auf Seiten der Lohnarbeiter.

3. ARMUT IN DEN INDUSTRIENATIONEN  
Die EU hat arme Haushalte als Haushalte definiert, deren Nettoeinkommen weniger als die Hälfte des Durchschnittsnettohaushaltseinkommens in einem Land beträgt. Nach dieser Definition leben in der Bundesrepublik Deutschland bereits 12,3 Prozent (1996) der Bevölkerung in Armut. Mehr als 2,5 Millionen Bundesbürger beziehen Sozialhilfe. Besonders betroffen von Armut sind ältere Menschen, Behinderte sowie soziale Randgruppen. Außerdem besteht ein enger Zusammenhang zwischen Armut und Arbeitslosigkeit. In der westlichen Welt besteht heute ein großer Teil der armen Bevölkerung aus allein erziehenden Müttern und ihren Kindern; diese Familien machen etwa ein Drittel der Gesamtzahl der Armen aus. Die Gründe hierfür liegen nicht nur in der Tatsache, dass berufstätige Frauen im Allgemeinen weniger verdienen als Männer; eine allein erziehende Mutter hat es auch oft schwer, gleichzeitig für die Kinder zu sorgen, den Haushalt zu führen und ein angemessenes Einkommen zu verdienen. Andere Gruppen, die überproportional unterhalb der Armutsgrenze leben, sind Behinderte und von ihnen abhängige Personen, sehr große Familien und Familien, in denen der Hauptverdiener entweder arbeitslos ist oder nur ein geringes Einkommen erzielt. Gerade in den unteren Lohngruppen werden Einkommen erzielt, die oft nur geringfügig über dem Niveau der Sozialhilfe liegen. Krasse Formen der Verelendung (z. B. Obdachlosigkeit) haben in den letzten Jahren in allen Industrienationen zugenommen.

Arme sehen sich häufig in einem Teufelskreis gefangen, aus dem es kein Entrinnen gibt. Armut kann krank machen, zur Gettoisierung oder in die Kriminalität führen. Mit Armut verbindet man heute nicht nur den Ausschluss von materiellen Gütern, sondern auch den tendenziellen Ausschluss aus der Gesellschaft. Vielfach wird es als Widerspruch gesehen, dass in der Werbung freizügiger Konsum propagiert wird, während ein wachsender Teil der Bevölkerung zum Konsumverzicht gezwungen ist, obwohl noch nie zuvor in der Geschichte ein solcher Überfluss an Produkten erzeugt wurde.


Seit Ende der siebziger Jahre hat sich in allen Industrienationen der Trend verstärkt, immer mehr Güter mit immer weniger Beschäftigten zu produzieren. Auf diese Weise hat sich z. B. in der Bundesrepublik Deutschland eine Sockelarbeitslosigkeit gebildet, die scheinbar unaufhaltsam anwächst. Von staatlicher Seite vorgenommene Einschnitte in den sozialen Sicherungssystemen haben die Lebenssituation der Betroffenen spürbar verschlechtert. Zudem schmälert die Inflation den Lebensstandard von Bevölkerungsgruppen, die nicht über die Möglichkeit verfügen, Preise zu gestalten.

Der Mangel an Bildungsmöglichkeiten stellt ebenfalls eine Ursache für Armut dar. Hiervon sind in den Industriestaaten häufig ethnische Gruppen, wie z. B. Afroamerikaner in den Vereinigten Staaten, oder Randgruppen betroffen.

4. ARMUT IN DER DRITTEN WELT  
Auf der ganzen Welt sterben jedes Jahr Zehntausende armer Menschen an Hunger und Unterernährung. 20 Prozent der Weltbevölkerung gelten als chronisch unterernährt, rund 80 Prozent leben in weniger entwickelten Regionen. 1996 mußte ein Viertel der Weltbevölkerung mit einem jährlichen Durchschnittseinkommen von weniger als 365 US-Dollar auskommen. Unter den Armen der Dritten Welt ist die Kindersterblichkeitsrate höher und die Lebenserwartung niedriger. Lediglich im Bildungsbereich ist seit den sechziger Jahren eine positive Entwicklung zu verzeichnen.

Armut ist nicht zuletzt auch ein Indikator für das wirtschaftliche Verhältnis zwischen den Industriestaaten und den so genannten Entwicklungsländern, wobei die Armut der letzteren ursächlich mit der Anhäufung von Reichtum in den ersteren zusammenhängt, was man als Nord-Süd-Gefälle bezeichnet (siehe Dritte Welt). Die ärmsten Nationen der Welt liegen in Südasien (Bangladesh und Pakistan), südlich der Sahara und in der Karibik (Haïti gilt als eines der ärmsten Länder der Welt). In der Tatsache, dass diese Staaten bei wachsender Bevölkerung mit zunehmender Armut zu kämpfen haben, während sich in den westlichen Industriestaaten ein immer größerer Reichtum anhäuft, und den sich aus dieser Konstellation zwangsläufig ergebenden Wanderungsbewegungen aus den armen in die reichen Regionen der Welt, liegt erheblicher Sprengstoff für die zukünftige weltpolitische Entwicklung.

Das Jahr 1996 hatten die Vereinten Nationen zum Jahr der Bekämpfung der Armut ausgerufen, den Zeitraum von 1997 bis 2006 zur Dekade der Abschaffung der Armut. Nach einem Bericht des UN-Entwicklungshilfeprogramms (UNDP) vom Oktober 1998 hat die Armut in den meisten Entwicklungsländern zugenommen. Die wichtigsten Gründe sind die nachlassende Hilfsbereitschaft der reichen Länder, steigende Verschuldung sowie ungenügende Anstrengungen der Entwicklungsländer, das Elend zu bekämpfen. Mehr als 1,5 Milliarden Menschen haben weniger als einen US-Dollar am Tag zur Verfügung.

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